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Handlungsbedarf in der musikalischen Bildung

Neue Studie zu freien Musikschullehrkräften: Einkommen sinkt, Gender Pay Gap über 14 Prozent
11.01.2023


Neuen Zahlen der Künstlersozialkasse zufolge sinkt das Jahreseinkommen selbständiger Musikpädagog*innen auf unter 13.000 Euro. Eine von ver.di beauftragte Studie analysiert die wirtschaftliche Lage der Freien in der musikalischen Bildung.

11. Januar 2023 von Eva Tepest

 

Alle Menschen zu erreichen – unabhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft, aber auch von Vorkenntnissen und finanziellen Mitteln – „ist der Schlüssel zu kultureller Teilhabe.“ So sagte es die amtierende Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen). Die zentrale Rolle kultureller Bildung würdigt auch der Koalitionsvertrag: „Wir werden Mittler [...] stärken und in der kulturellen Bildung neue Präsenzformate auch in Deutschland ermöglichen”, heißt es dort. Wie sieht es aber in einem besonders zentralen Bereich der kulturellen Bildung, nämlich der Musikvermittlung, aus?

Musikalische Bildung zentral für die kulturelle Teilhabe

Zehntausende selbstständige Musiklehrkräfte sorgen täglich dafür, dass Menschen sich in Theorie und Praxis mit Musik beschäftigen können. 27.500 von ihnen waren im Jahr 2021 als Solo-Selbständige in der KSK versichert. Und ihre Zahl steigt: So gab es im Jahr 2015 nur knapp 20.000 freie Musiklehrkräfte in der KSK. Diese Zahl geht wie alle folgenden aus Erhebungen der Künstlersozialkasse (KSK) hervor. Ihr angenommen hat sich im Auftrag von ver.di der Kulturwirtschaftsforscher Michael Söndermann. Seine ausführliche statistische Auswertung und weiterführende Berechnung inklusive Grafiken ist hier zu lesen.

Die außerschulische musikalische Bildung, etwa in Musikschulen oder Volkshochschulen, ist essentiell für die kulturelle Teilhabe.

Doch so wichtig die Arbeit der Musiklehrer*innen ist, desto unsicherer ist ihre wirtschaftliche Situation.

Wirtschaftliche Lage ist erschreckend

12.901 Euro (Brutto-)Jahreseinkommen – der geschätzte Verdienst der Musiklehrkräfte im Jahr 2021 war erschreckend niedrig. Die umgerechnet 1.075 Euro monatlich liegen selbst für den Fall, dass die in der KSK Versicherten noch über weitere Einkommen verfügen, weit unter dem durchschnittlichen deutschen Monatsverdienst in Höhe von 4.100 Euro brutto. Die Einkommensentwicklung in dieser Berufsgruppe ist sogar rückläufig.

Im Zeitraum von 2015 bis 2020 steigerte sich das Einkommen der Musiklehrer*innen zwar um rund zwölf Prozent, es wuchs also durchschnittlich um 2,3 Prozent jährlich. 2020, also mitten in der Corona-Krise, schätzten Musiklehrkräfte in der KSK ihr voraussichtliches Jahreseinkommen für das Jahr 2021 jedoch auf sechs Prozent weniger als im Vorjahr, nämlich auf 12.901 Euro. Das würde nahezu exakt dem Niveau des Jahres 2018 (12.992 Euro) entsprechen – und das reale Einkommen könnte sogar noch darunter liegen. Zum Vergleich: Die Teuerungsrate ist von 2018 bis 2021 laut Verbraucherpreisindex um 6,8 Prozent gestiegen.

Und die Zukunftsaussichten im Bereich der freien musikalischen Bildung sind alles andere als rosig: Zwar ist zu hoffen, dass der auch Covid-bedingte Einbruch aus dem Jahr 2021 zukünftig zumindest abgefedert wird. Jedoch bieten andere Entwicklungen Anlass zur Sorge, darunter die voraussichtliche Teuerungsrate im Jahre 2022 von über zehn Prozent und die sich abzeichnenden Kürzungen bei den kommunalen Kulturhaushalten.

Gender Pay Gap: Zwei Schritte vor, einer zurück?

Gute Nachrichten hält Söndermanns Analyse hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit im Bereich musikalische Bildung bereit: Der Gender Pay Gap unter den Musiklehrkräften verringert sich kontinuierlich. Im Jahr 2021 betrug er – immer noch stattliche – 14,1 Prozent und verringerte sich damit seit dem Jahr 2015 um immerhin 2,7 Prozentpunkte.

Diese Zahl ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. Denn das geringe Durchschnittseinkommen der Musiklehrkräfte sowie ver.di-eigene Zahlen legen nahe, das Musikpädagog*innen hybriden Beschäftigungsformen nachgehen und etwas auch als Musiker*in tätig sind.

Und während der Gender Pay Gap in allen anderen in der KSK versammelten Berufsgruppen (Literatur, Film, bildende Kunst) kontinuierlich abgenommen hat, stieg er in der Musik etwa zwischen 2015 und 2020 von 23,2 Prozent auf 26,3 Prozent. Im Jahr 2021 verringerte sich die Einkommenslücke auf 20,7 Prozent, wobei die Einkommen insgesamt einbrachen.

Musiklehrerinnen sind also dem Gender Pay Gap womöglich nicht nur im Bereich musikalische Bildung ausgesetzt, sondern in der Berufsgruppe Musik insgesamt, wo die Einkommenslücke noch weitaus höher ausfällt.

Was sind Forderungen aus dem Bereich?

Musikalische Bildung ist nicht nur zentral für die kulturelle Teilhabe, viele Musiker*innen können überhaupt nur so ihrer Kunst nachgehen. Doch die ohnehin prekäre Lage der Musiklehrkräfte spitzt sich angesichts von Covid-Ausfällen, knappen Haushalten und der Teuerungsrate zunehmend zu. Dabei sind bei weitem nicht alle Musikpädagog*innen selbstständig tätig. So waren zum Stichtag 31.12.2019 laut der Statistik des Verbands deutscher Musikschulen (VDM) knapp 19.969 Musikschullehrer*innen an den Musikschulen des VDM angestellt, 79 Prozent von ihnen fielen unter die Regelungen eines Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst.

Damit die Selbstständigen ihren angestellten Kolleg*innen gleichgestellt werden, ist die Kulturpolitik genauso wie die Arbeits- und Sozialpolitik gefragt. „Kunst und Kultur und ihre Vielfalt zu fördern und die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern zu verbessern, ist in diesen Zeiten ein Beitrag zur Sicherung unserer Demokratie.” So bekennt sich die Koalition aus SPD, Bündnis 90/Grünen und FDP zu ihrer sozialen Verantwortung für Kulturarbeitenden. Konkret verspricht der Koalitionsvertrag „Mindesthonorierungen in Förderrichtlinien des Bundes auf[zu]nehmen.“ Eine Umsetzung dieses notwendigen Schrittes steht bisher noch aus. Es bleibt auch abzuwarten, ob sich die Mindesthonorierungen an vergleichbaren tariflichen Vereinbarungen orientieren, also eine adäquate Bezahlung anstreben, und nicht bloß eine Honoraruntergrenze definieren. Für ei­ne faire Ent­loh­nung in der Kunst und Kul­tur hat ver­.­di unlängst ein trans­pa­ren­tes Mo­dell zur Be­rech­nung von Ba­sis­ho­no­ra­ren ent­wi­ckel­t.

„[Wir brauchen] kein staatlich unterstütztes Dumping im Kulturbereich, schreiben Lisa Basten und Lisa Mangold aus dem ver.di-Bereich Kunst und Kultur. Um das zu erreichen, müssen sich Kulturschaffende in Verbänden, Gewerkschaften und am Arbeitsplatz verbünden. Vielerorts, wie zuletzt an der städtischen Musikschule in Leichlingen, schließen sich selbständige Musiklehrkräfte auf Honorarbasis bereits zusammen, um für Festanstellung und faire Honorare zu kämpfen. Auch Fragen der öffentlichen Kulturfinanzierung sind zentral für eine faire und geschlechtergerechte Vergütung von Musiklehrkräften und anderen Selbständigen in der Kunst- und Kulturvermittlung. Denn nur so werden die Mittler*innen in der kulturellen Bildung effektiv gestärkt.  

Die Autorin: Eva Tepest

 

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