Bei einem Seminar der Landesfachgruppe Musik in Baden-Württemberg standen Fragen des Tarifrechts für festangestellte Musikschullehrer*innen und seiner praktischen Umsetzung im Mittelpunkt. Siegfried Heim, ver.di-Landesfachbereichsleiter Medien, Kunst und Industrie, stand den Teilnehmer*innen als kompetenter Referent Rede und Antwort.
12. März 2020 von PM/NEH
Er erläuterte zunächst die relevanten Grundlagen des Tarifrechts im TVöD: Dieser gilt für alle Beschäftigten in Kommunen, also auch an deren Musikschulen. Er gilt nicht für freie Mitarbeiter*innen. An e.V.-Musikschulen gilt das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes nur dann, wenn das vertraglich vereinbart wurde. Es lohnt aber, genau hinzusehen, da in den Verträgen oft nur einzelne Regelungen des TVöD übernommen sind.
Für die Arbeitszeit gilt § 6 des Manteltarifvertrages des TVöD, der besagt, dass die wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten, die unter diesen Tarifvertrag fallen, durchschnittlich 39 Zeitstunden beträgt. Durchschnittlich bedeutet, dass diese Arbeitszeit im Durchschnitt eines Jahres zu leisten ist; in gewissen Grenzen – Arbeitszeitgesetz! – sind Abweichungen möglich.
Für Musikschullehrer*innen gibt es spezielle Arbeitszeitregelungen, die im „Besonderen Teil Verwaltung“ in § 52 zu finden sind: Hier ist geregelt, dass Musikschullehrer*innen dann vollbeschäftigt sind, wenn sie 30 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten = 1.350 Minuten = 22,5 Zeitstunden pro Woche unterrichten. Bei der Festlegung dieser Unterrichtszeiten ist berücksichtigt, dass Musikschullehrer*innen neben dem reinen Unterrichten noch sogenannte Zusammenhangstätigkeiten zu leisten haben: Hierfür steht die Differenz, also 16,5 Zeitstunden zur Verfügung. In einer Protokollerklärung ist aufgeführt, um welche Zusammenhangstätigkeiten es sich hier insbesondere handelt. Der Begriff „insbesondere“ ist juristisch wichtig, da er aussagt, dass neben den genannten auch weitere Tätigkeiten hinzukommen können, die aber stets im Zusammenhang mit der eigentlichen Tätigkeit stehen müssen. Und es gilt auch, dass für Tätigkeiten, die nicht im Katalog der Zusammenhangstätigkeiten genannt sind, Nebenabreden mit einem entsprechenden Zeitausgleich abgeschlossen werden können; dann besteht allerdings die Möglichkeit, diese mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende zu kündigen.
Soweit, so scheinbar einfach. Durch zahlreiche Fragen und Problembeschreibungen wurde während des Seminars deutlich, dass die Praxis durchaus problematisch ist. So etwa die Situation der Teilzeitbeschäftigten. Wer z. B. einen Vertrag über zehn Stunden hat, hat auch nur ein Drittel der Zusammenhangstätigkeitszeit zu erbringen, nämlich 5,5 Zeitstunden pro Woche. Er oder sie müsste dann nach einem Drittel der Konferenzzeit gehen oder nur jede dritte Konferenz besuchen … Erschwerend kommt für viele Kolleg*innen hinzu, dass sie oft nicht nur an einer, sondern an mehreren Musikschulen unterrichten, wo sie ebenfalls für Zusammenhangstätigkeiten wie Konferenzen, Besprechungen, Konzerte, Musikschultage etc. zur Verfügung stehen sollen. Ganz klar ist hier: Der Arbeitgeber an der Musikschule A kann die Teilnahme an Besprechungen etc. in der Regel nur an den Tagen verlangen, an denen man auch an der Musikschule A unterrichtet. Er hat nicht das Recht, über die anderen Tage zu verfügen, da er damit den oder die Arbeitnehmer*in behindern würde, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, den er oder sie an Musikschule A nicht vollständig sichern kann. Manche Musikschulen führen die Konferenzen etwa am Samstagvormittag oder spätabends durch, auch dann können sie sich mit Verpflichtungen an anderen Musikschulen zeitlich überschneiden. Man sollte die Problematik natürlich zunächst mit der Musikschulleitung besprechen und dann entscheiden, etwa nur an jeder dritten Konferenz teilzunehmen.
Im Seminar kam immer wieder zur Sprache, dass vor allem teilzeitbeschäftigte Kolleg*innen an den verschiedenen Schulen einfach zu viele Aufgaben erledigen sollen. Da Musikschullehrer*innen ihre Arbeit grundsätzlich gern machen und sich für ihre Schüle*innen und die Musikschule verantwortlich fühlen, funktioniert ziemlich lange das, was Siegfried Heim „implizite Anordnungen“ nannte. Gemeint ist, dass vieles selbstverständlich, ohne direkte Anordnung gemacht wird, etwa das sehr zeitaufwendige Erstellen des Stundenplans, Telefonate mit Eltern, Instrumentenpflege usw. Implizit meint aber auch, dass darüber hinaus Dinge erledigt werden, für die eigentlich eine Anordnung nötig wäre. Die zur Anordnung berechtigte Person äußert sich aber nicht direkt, weil sie die Verantwortung für die Anordnung scheut oder vermeiden will, dass daraus ein Anspruch auf Mehrarbeitsstunden entsteht. Demgegenüber stehen die direkten Anordnungen, in denen ein klarer Auftrag erteilt wird, z. B. bei einem Konzert mitzuwirken, an der Konferenz teilzunehmen etc. So kommt es zu einer quasi „unendlichen“ Arbeitszeit. Und es entstehen dann immer wieder die gleichen Fragen: Wie viel lässt man sich gefallen? Wie stark ist man? Hat man Kolleg*innen, die mitziehen? Ist man auf den Job angewiesen? Wie viel Druck verträgt man? Lässt man sich auf eine Auseinandersetzung mit Vorgesetzten ein? Alles zu schlucken und zu versuchen, es irgendwie zu schaffen, kann nicht die Lösung sein. Damit schadet man zumindest langfristig seiner Gesundheit, schlimmstenfalls bis zum Burnout.
Was ist in dieser Situation zu empfehlen? Zunächst sollte man über einen längeren Zeitraum Aufzeichnungen machen; man sollte für Tätigkeiten, die in den Protokollerklärungen nicht genannt sind, unbedingt anstreben, mit dem Arbeitgeber eine Nebenabrede zu treffen, die für die jeweilige Tätigkeit einen Zeitausgleich regelt; man sollte sich an den Personal- oder Betriebsrat oder an ver.di wenden.
Klar wurde, dass es keine Pauschallösungen gäbe; man müsse den Einzelfall, die Situation und Praxis der jeweiligen Schule betrachten; man solle sich mit Kolleg*innen zusammentun, um eine generelle Lösung für die Schule zu finden. Allein sei man gegenüber dem Träger oder der Schulleitung meist schwächer, vom Wohlwollen abhängig. Je nach Situation spielten hier auch immer wieder Machtfragen eine Rolle.
Ein Thema, das Musikschullehrkräfte in diesem Zusammenhang auch immer wieder belastet, sind die Fahrten zu den verschiedenen Einsatzorten, die durch den Unterricht in Außenstellen, Schulkooperationen etc. entstehen. Grundsätzlich ist die Hin-und Rückfahrt vom Wohnort zum Arbeitsort Privatsache. Alle weiteren Fahrten, also der Wechsel zu verschiedenen Unterrichtsorten im Verlauf eines Arbeitstages, sind Dienstfahrten. Hier sind sowohl die Zeit als auch die Fahrtkosten zu vergüten. Heim legte dar, dass diese Zeit keinesfalls den Zusammenhangstätigkeiten zuzurechnen, sondern ganz normale Arbeitszeit sei. Die Abrechnung von Reisekosten ist bei den Kommunen nach dem Landesreisekostengesetz Baden-Württemberg geregelt, das zwar für die Beamt*innen konzipiert ist, aber auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gilt.
Die Autor*innen: PM/NEH
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