Bisher war es Selbstständigen nicht erlaubt, gemeinsam mit ihren Kolleg*innen ihre Auftraggeber zu Verhandlungen über faire Arbeitsbedingungen und angemessene Honorare aufzufordern. Das Wettbewerbsrecht stand im Weg: als Unternehmer*innen sind ihnen Preisabsprachen verboten.
In Deutschland gab es zwar Ausnahmen (etwa die „12a Tarifverträge“ oder gemeinsame Vergütungsregeln), die auch in der Kreativwirtschaft Wirkung entfalteten. Aber für die große Mehrheit der selbstständigen Kulturschaffenden war es bislang keine Option, gemeinsame Leitplanken wie Honorargrenzen oder Ausfallregelungen zu entwickeln. Sie sind bis heute darauf verwiesen, ihre Verträge individuell zu verhandeln – wobei den Verhandlungsspielräumen in den meisten Fällen enge Grenzen gesetzt sind.
Jetzt gibt es diese Option. Denn die Europäische Kommission hat in ihren „Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts auf Tarifverträge über die Arbeitsbedingungen von Solo-Selbstständigen“ festgelegt, dass Selbstständige ohne Beschäftigte („Solo-Selbstständige“) vom Wettbewerbsrecht ausgenommen werden – und kollektiv verhandeln dürfen.
ver.di hat sich in vielen Monaten intensiv dafür eingesetzt, dass diese Leitlinien zustande kommen. Wir konnten gemeinsam mit unseren europäischen Dachverbänden UNI-Europa und EGB Änderungen erreichen, die es mehr Menschen ermöglichen, das Instrument kollektiver Verhandlungen zu nutzen.
Es ist ein großer Erfolg, der wirklich Hoffnung gibt! Tarifverträge sind ein sehr starkes Instrument, um existenzsicherndes Arbeiten zu ermöglichen, ungleiche Bezahlung zu verhindern und faire Bedingungen festzuschreiben.
Wir haben nicht alles erreicht – politisches Arbeiten ist immer auch ein Kompromiss. Weiterhin nicht erlaubt ist die einseitige Setzung von Preisen. Die Leitlinien zielen darauf ab, Verhandlungen zu ermöglichen. Einseitige Honorarempfehlungen sind zum Beispiel vor diesem Hintergrund weiterhin kritisch.
So – jetzt also alles gut? Bei Weitem nicht. Denn jetzt muss von dieser neuen Option Gebrauch gemacht werden. Und davor steht eine Hürde, die mindestens so groß ist wie das jetzt aus dem Weg geräumte Hindernis des Wettbewerbsrechts: Selbstständige Kulturschaffende sind in den meisten Branchen und Berufen nicht organisiert oder nicht in Organisationen, die Kollektivverhandlungen führen könnten.
Doch Tariffragen sind Machtfragen. Sie können nur im Sinne der Solo-Selbstständigen entschieden werden, wenn viele mitziehen, wenn es eine Bereitschaft gibt, sich für die eigenen Arbeitsbedingungen wirklich einzusetzen. Wir freuen uns auf jede Gruppe in unserer Mitgliedschaft, die das jetzt wagt – und stehen in den Startlöchern mit allem Know-how, das es dazu braucht.
Mehr zum Thema findet ihr in dieser ver.di-Pressemitteilung und auf unserer Themenseite zum TV Selbstständige!
Informiert euch, seid bei unseren Aktionen dabei und vor allem: Organisiert euch gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen!
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