Kultur ist Arbeit. Von Arbeit soll man leben können. Bisher ist das nicht der Fall: Viele selbstständige Kulturschaffende arbeiten ein (Erwerbs-)Leben lang in Projekten, die öffentlich gefördert werden – und stehen am Ende trotzdem ohne Rente da. Die COVID-Krise hat gezeigt, dass es vielen Künstler*innen nicht möglich ist, für Phasen vorzusorgen, in denen sie kein Geld verdienen. Es wird einfach nicht genug gezahlt.
Die ver.di-Basishonorare sind ein transparentes Berechnungsmodell für faire Entlohnung im Kulturbereich. Unser Ziel ist ihre verbindliche Verankerung in Förderrichtlinien – das heißt, dass nur dann eine Förderzusage möglich ist, wenn Basishonorare kalkuliert werden. Transparenz bedeutet für uns:
Im Folgenden stellen wir den Honorarrechner bereit und erläutern genauer, wie das Berechnungsmodell funktioniert. Noch mehr Informationen und viele Beispielhonorare finden sich in unserer Präsentation Basishonorare für selbstständige Kreative, die das Konzept ausführlich vorstellt.
Der Honorarrechner ist hier zu finden, ebenso auf der Website www.basishonorare.de.
Das Problem ist, dass selbstständige Kulturarbeit oft zu viel zu geringen Tages-/Stundensätzen geleistet wird. Außerdem wird nicht die gesamte Arbeitsleistung bezahlt, oft sind es nur die sichtbaren Zeiten, die entlohnt werden, viel bleibt unsichtbar und unbezahlt.
Also mussten wir Honorarsätze entwickeln, die fair und transparent sind und sie mit der real anfallenden Arbeitszeit multiplizieren. So ergeben sich Basishonorare für geförderte Tätigkeiten, die ein existenzsicherndes Arbeiten ermöglichen.
Um zu fairen Honorarsätzen pro Stunde, Tag und Woche zu kommen sind zwei Schritte notwendig. In einem ersten Schritt haben wir die Entgelte, die im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes stehen, auf die Arbeitsrealität von Selbstständigen umgerechnet.
Dafür addieren wir zum Jahresgehalt eines Angestellten im öffentlichen Dienst sowohl die Beiträge zur Sozialversicherung, die bei Selbstständigen anders ausfallen, als auch Betriebsausgaben, die in der Selbstständigkeit anfallen. Die Beiträge zur Sozialversicherung unterscheiden sich stark je nachdem, ob eine Person sich über die Künstlersozialkasse (KSK) versichern kann oder nicht. Außerdem kalkulieren wir Urlaubstage und durchschnittliche Krankentage mit ein.
Das Ergebnis sind Jahresentgelte für selbstständige Kreative auf Basis des TVöD, unterschieden nach Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse. Damit haben wir einfach das, was Arbeitnehmer*innen im öffentlichen Dienst verdienen, auf die Realität selbstständiger Erwerbstätiger übertragen.
Mit einem Jahresentgelt für selbstständige Kreative können wir aber in der (Förder-)Praxis noch nicht viel anfangen, da die Arbeit ja projektbasiert anfällt, also in kürzeren Zeitetappen stattfindet. In einem zweiten Schritt ist es deshalb notwendig, das Jahresgehalt auf Honorarsätze herunterzurechnen. Dabei ist es wichtig zu berücksichtigen, dass Selbstständige nicht in Vollzeit für Projekte zu Verfügung stehen können. 25 Prozent der Arbeitszeit werden bei der Berechnung der ver.di-Basishonorare für projektübergreifende Tätigkeiten angenommen.
Dazu gehört z. B. Zeit für die Pflege einer eigenen Webseite, für Buchhaltung und Akquise, aber auch dafür, die eigene Fähigkeit zu erhalten und auszubauen. Die Zeit, die für diese projektübergreifende Arbeit notwendig ist, muss miterwirtschaftet werden. Sie ist notwendig, um die Selbstständigkeit zu erhalten und fließt deshalb in die Berechnung der Honorarsätze mit ein.
Wichtig ist aber, dass mit der Einbeziehung von 25 Prozent projektübergreifender Arbeit nicht eine Kompensation auftragsloser Zeiten gemeint ist! Anders formuliert: Geförderte Projekte müssen auch mitfinanzieren, dass Zeit für den Erhalt der unternehmerischen Tätigkeit aufgewendet werden muss. Sie sollen nicht die gesamte Zeit finanzieren, die eine Person ohne Auftrag oder Förderzusage künstlerisch tätig ist.
Infografik: Warum TVöD? Kein staatlich unterstütztes Dumping im Kulturbereich! (vgl. Basishonorare für selbstständige Kreative, Seite 7)
Der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) enthält die Gehälter von sehr unterschiedlichen Berufstätigen: Professor*innen, Müllwerker*innen, Pflegekräfte, Feuerwehrleute, Bühnentechniker*innen, Verwaltungsangestellte, Musikschullehrer*innen, Ingenieur*innen, Erziehungskräfte, IT-Beauftragte, Psycholog*innen und so weiter. Im Tarifvertrag gibt es daher unterschiedliche Möglichkeiten der Eingruppierung von Tätigkeiten, je nachdem, welche Anforderungen an die Tätigkeit gestellt werden.
Für das Berechnungsmodell „Basishonorare für selbstständige Kreative“ haben wir vier sogenannte „Entgeltgruppen (EG)“ ausgewählt, die wir für gut übertragbar in die Welt der selbstständigen Kulturarbeit halten:
Wichtig: Fähigkeiten und Erfahrungen sind in der Kulturarbeit oft nicht nur durch formale Abschlüsse abbildbar. Künstler*innen können über alternative Aneignung die in den Entgeltgruppen erwähnten „gleichwertigen Fähigkeiten“ erwerben, z. B. als Autodidakten oder in selbstorganisierten und/oder kollektiven Prozessen.
Die Honorarsätze sind also unterschiedlich je nachdem, welcher Entgeltgruppe die Tätigkeit zugeordnet wird. Außerdem wird unterschieden, ob die Tätigkeit typischerweise für eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse (KSK) berechtigt oder nicht.
Auf der Grundlage des TVöD haben wir mit den beschriebenen Schritten Honorarsätze für Selbstständige kalkuliert, die sich auf Stunden, Wochen und Tage beziehen. Das Ziel sind aber keine Honorarsätze, sondern Honoraruntergrenzen für konkrete Tätigkeiten in geförderten Projekten (Basishonorare). Dafür ist es nötig, die in diesem Projekt anfallende Arbeitszeit zu bestimmen.
In den geförderten Bereichen von Kunst und Kultur fallen sehr viele unterschiedliche Tätigkeiten an, die von Selbstständigen oder Freien geleistet werden. Die zentrale Frage dabei: Welche Arbeitszeit fällt typischerweise für die konkrete Tätigkeit in einem Projekt an? In einem intensiven Prozess mit vielen engagierten Beteiligten haben wir Beispielhonorare entwickelt. Diese entstandenen Honorare beziehen sich auf eine konkrete Tätigkeit in einem geförderten Projekt. Sie nehmen dafür die üblicherweise anfallende Arbeitszeit an und schlagen auf Grundlage der typischen Anforderungen an diese Tätigkeit die Zuordnung zu einer Entgeltgruppe vor.
Alle Beispielhonorare finden sich im Konzept Basishonorare für selbstständige Kreative.
Basishonorare sollen einen tragenden Boden für professionelle Künstler*innen ermöglichen. Sie sind Untergrenzen, die auf das Ziel hin entwickelt sind, ein existenzsicherndes Arbeiten und eine soziale Absicherung zu ermöglichen. Davon unberührt bleibt: Bestimmte Personen können höhere Honorare aushandeln – und sollen das auch weiter machen.
Basishonorare sind Teil einer Kalkulation, neben weiteren Posten im Antrag. Werkbezogene Materialkosten, Reisekosten oder projektspezifische Ausgaben sind mit dem Basishonorar nicht abgegolten. Das Recht von Urheber*innen, für die Nutzung ihrer Werke angemessen vergütet (§ 32 UrhG) und im Erfolgsfall angemessen beteiligt zu werden (§ 32a Abs.1 Satz 1 UrhG), ist von Basishonoraren ebenfalls nicht berührt.
Basishonorare sind Bruttohonorare, das heißt: Neben den Lebenshaltungskosten werden von ihnen auch Sozialversicherungsbeiträge, laufende Betriebsausgaben und Steuern bezahlt. Die Umsatzsteuer ist ebenfalls nicht pauschal in die Basishonorare kalkuliert, da sie im Kulturbereich sehr unterschiedlich ausfällt: Neben 0%, 7% und 19% anfallender Umsatzsteuer ist auch die Befreiung nach §19 UstG (die sogenannte Kleinunternehmerregelung) weit verbreitet.
Kulturelle Vielfalt darf nicht gegen die faire Bezahlung von selbstständigen Kreativen ausgespielt werden. Natürlich müssen Kulturetats steigen. Selbstverständlich muss es gelingen, Kulturfinanzierung zu stabilisieren. Sie ist keine freiwillige Leistung, sie ist Daseinsvorsorge. Kommunen müssen entlasten werden, um ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen zu können. All das sind wichtige politische Forderungen, die ver.di mit Vehemenz vertritt.
Die Forderung nach fairer Bezahlung, die mehr Menschen eine Chance gibt, ohne die hohen Prekarisierungsrisiken Kulturarbeit zu leisten, kann nicht immer weiter zurückgestellt werden. Die COVID-Pandemie hat gezeigt, wie schwierig die Situation ist, sie hat die Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit auf die soziale Lage von Kulturschaffenden gelenkt. Dieses Möglichkeitsfester gilt es zu nutzen.
Wer mit staatlichen Mitteln Kultur fördert, braucht Ressourcen, um den im Grundgesetz verankerten Auftrag auszufüllen – ohne zur Prekarisierung von Künstler*innen beizutragen.
Zwischen der Entwicklung der Basishonorare und ihrer breiten Anwendung liegt noch viel Arbeit. Geldfragen sind Machtfragen. Die prekäre Situation von selbstständigen Kreativen ist ja keine neue Erkenntnis, sie ist seit Jahrzehnten wohlbekannt – und akzeptiert. Wenn sich das ändern soll, muss Druck aufgebaut werden.
Unser Modell ist durch das Engagement sehr vieler einzelner Kolleg*innen und der Unterstützung und Mitarbeit verschiedener kooperierender Verbände entstanden (die Verbände sind aufgelistet in den Beispielhonoraren).
Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Modell in Kommunen, Städten, auf Länder- und auf Bundesebene Beachtung findet. ver.di hat wertvolle Erfahrung mit der Durchsetzung guter Arbeit und mit der Anwendung des Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD).
Um die Arbeitsbedingungen für selbstständige Kulturschaffende zu verbessern, brauchen die Basishonorare eine breite Unterstützung und starke Allianzen. Viele Künstler*innen und selbstständige Kulturschaffende müssen sich vor Ort, an ihren Arbeitsstätten und kollektiv dafür einsetzen, dass Basishonorare zur Selbstverständlichkeit werden.
Für eine faire Entlohnung in der Kunst und Kultur hat ver.di ein transparentes Modell zur Berechnung von Basishonoraren entwickelt. Unser Ziel ist ihre verbindliche Verankerung in Förderrichtlinien. Das Berechnungsmodell stellen wir in dieser Präsentation vor und liefern dazu viele Beispielhonorare sowie weitere Informationen zum Thema.