Umfrage zur Arbeitsrealität in der Kunst und Kultur

13.09.2022

Ergebnisse der ver.di-Umfrage unter Kulturschaffenden im Jahr 2021

Das Ziel der Umfrage war es, die Arbeitsbedingungen in unterschiedlichen Berufen, Positionen, Arbeitsverhältnissen und Branchen im Bereich Kunst und Kultur als Gruppe zu betrachten. Zu Beginn der Umfrage konnten sich die Teilnehmenden vier Teilbranchen zuordnen, die den Kunstfachgruppen der ver.di entsprechen: Theater, Musik, bildende Kunst und Literatur (hier mit der Unterscheidung in Schriftsteller*innen und Übersetzer*innen).

Die Umfrage lief im Sommer und Herbst 2021 – also zu einem Zeitpunkt, als die Einschränkungen des Kulturbetriebs während der COVID-Pandemie gerade nachließen. Insbesondere die Einkommenseinbußen von Kulturarbeitenden wurden aus diesem Grund miterfasst (siehe Kapitel 4 im Downloadbereich).

Allerdings sollte die Pandemie nicht allein im Mittelpunkt der Befragung stehen. Vielmehr wurde an vielen Stellen darum gebeten, sich bei den Antworten auf das Jahr 2019 zu beziehen, um die Arbeitsrealität von Kunst- und Kulturschaffenden auch unabhängig von der gesamtgesellschaftlichen Krise zu beleuchten.

Im Zentrum stand weiterhin die Frage nach hybriden Arbeitsrealitäten, das heißt:

  1. Welche Rolle spielen verschiedene Einkommensquellen („Einkommensmix“) für Kulturschaffende? (siehe Kapitel 5)
  2. In welchen Statusformen (Solo-Selbstständigkeit, abhängige Beschäftigung oder Kombinationen) wird hier gearbeitet? (siehe Kapitel 3)

Drei von acht möglichen Einkommensquellen haben wir detailliert betrachtet, darunter die kulturelle Bildung. Ebenfalls in den Blick genommen haben wir Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit sowie aus der Verwertung von Urheberrechten.

Alle Daten sind in der Langfassung auf 45 Seiten in 47 Tabellen und Diagrammen präsentiert, dort liegt der Fokus auch immer wieder auf den Unterschieden zwischen den betrachteten Branchen.

 

  • Überblick: Kernaussagen der Umfrageergebnisse

    Trotz aller notwendigen Einschränkungen hinsichtlich der Repräsentanz dieser Zahlen (überproportionaler Anteil von Gewerkschaftsmitgliedern, Heterogenität in den einzelnen Gruppen) zeigen sich deutliche Trends – hier die Kernaussagen:

    • Die Antworten von 2.293 Kulturschaffenden sind in die Umfrage eingeflossen. Fast 4.000 haben den Fragebogen nur teilweise beantwortet. Über 11.000 wurden persönlich angeschrieben, darüber hinaus wurde über Verbände, in Zeitschriften und über Social Media auf die Umfrage aufmerksam gemacht.

    • 51 Prozent der Befragten sind weiblich, vier Prozent geben ihr Geschlecht nicht an oder bezeichnen sich als divers.

    • Über sechs von zehn Befragten verfügen über einen Hochschulabschluss, vier Prozent über eine Promotion.

    • Ein Drittel hat eine abgeschlossene Berufsausbildung, sieben Prozent haben einen Abschluss auf Meisterebene.

    • 76 Prozent der Befragten sind ver.di-Mitglieder. Im Bereich Literatur steigt dieser Anteil auf 88 Prozent, sinkt in der bildenden Kunst hingegen auf 43 Prozent. 

     

  • Anstellung, Selbstständigkeit, Mischformen

    • Zwei Drittel der Kulturschaffenden sind nach dieser Umfrage zumindest teilweise selbstständig tätig. 44 Prozent der Befragten geben an, ausschließlich selbstständig zu sein, weitere 24 Prozent geben an, gleichzeitig zu einer abhängigen Beschäftigung auch selbstständig tätig zu sein.

    • Im Theaterbereich ist die große Mehrzahl der Befragten abhängig beschäftigt. Ausschließlich selbstständig sind hier 15 Prozent, weitere 18 Prozent sind teilweise selbstständig.

    • In der Musikbranche geben 37 Prozent an, hybrid tätig zu sein, also sowohl als Arbeitnehmer*in als auch als Selbstständige*r.

    • Unter den bildenden Künstler*innen findet sich so gut wie keine Person, die ausschließlich angestellt ist. Allerdings berichtet hier fast jede*r Vierte über eine Kombination aus selbstständiger und abhängiger Tätigkeit.

     

  • Einkommen

    • Vor Corona (2019) haben die Befragten im Mittel 26.000 Euro (Median) im Jahr verdient. Während der Pandemie hat sich die Einkommenssituation für viele verschlechtert – das mittlere Jahreseinkommen ist um fast ein Viertel auf 20.000 Euro gefallen!

    • Wer ausschließlich als Arbeitnehmer*in beschäftigt ist, verdient im Schnitt deutlich mehr (37.000 Euro) als diejenigen, die ausschließlich als Selbstständige tätig sind (20.000 Euro).

    • Das mittlere Einkommen fällt bei Befragten aus der Theaterbranche mit 35.000 Euro mit Abstand am höchsten aus und ist fast dreimal so hoch wie das mittlere Einkommen bei Befragten aus der bildenden Kunst (13.750 Euro).

    • ver.di-Mitglieder im Kulturbereich erwirtschaften im Schnitt ein höheres Einkommen und waren im Schnitt weniger drastisch von den Einkommenseinbußen durch die Pandemie betroffen.

     

  • Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit

    • 90 Prozent der Kulturschaffenden haben zusätzlich zu einer künstlerischen Tätigkeit Einnahmen aus anderen Quellen.

    • 40 Prozent können allein mit den Einnahmen aus künstlerischer Tätigkeit ihre Existenz sichern. Dieser Anteil ist deutlich geringer unter den bildenden Künstler*innen (18 Prozent) und deutlich höher unter Theaterschaffenden (60 Prozent).

    • Im Mittel (Median) sind die Kulturschaffenden 30 Stunden in der Woche rein künstlerisch tätig.

    • Einnahmen aus künstlerischer Tätigkeit werden fast ausschließlich in der Selbstständigkeit erwirtschaftet.

    • Wer Materialkosten sowie Zeiten für Reisen, Konzeption u. a. mitkalkuliert, kann häufiger von seiner künstlerischen Tätigkeit leben.

     

  • Einkommensmix

    • Ein Einkommensmix ist typisch: Nur wenige Befragte finanzieren sich ausschließlich über eine einzige Einkommensquelle. Die meisten Kulturschaffenden beziehen ihr Einkommen aus mehreren Quellen.

    • Die Auswirkungen der Pandemie zeigen sich besonders bei den Einkommen direkt aus künstlerischer Tätigkeit: Ihr Anteil am Gesamteinkommen fiel um über neun Prozent. Demgegenüber zeigen sich Einkommen aus dem Kulturbetrieb (minus drei Prozent) und Einkommen aus der kulturellen Bildung (minus ein Prozent) als relativ krisenfest.

    • Drei Einkommensquellen sind relevant für das Gesamteinkommen von Kulturschaffenden: Einnahmen aus künstlerischer Tätigkeit machen 30 Prozent aus, Einnahmen im Kulturbetrieb 27 Prozent und Einnahmen aus der kulturellen Bildung 22 Prozent.

    • Nur zwei Prozent des Gesamteinkommens kommen aus der Verwertung von Urheber- oder Leistungsschutzrechten. Überraschend wenig, denn 25 Prozent der Befragten geben an, hieraus Einkommen zu erwirtschaften.

    • Der Anteil der Kulturschaffenden, die auf die finanzielle Unterstützung von Partner*innen oder ihrer Familie verweist, steigt während der Pandemie um fünf Prozent. Auf Sozialleistungen müssen während der Pandemie sieben Prozent zurückgreifen, davor nur zwei Prozent.

    • In unterschiedlichen Branchen setzen sich die Einkommen unterschiedlich zusammen: im Theaterbereich kommt der Großteil aus einer Tätigkeit im Kulturbetrieb, Übersetzer*innen hingegen machen 70 Prozent ihres Einkommens direkt aus künstlerischer Tätigkeit, in diesem Fall durch das Schreiben.

     

  • Künstlersozialkasse

    • Vier von zehn Befragten sind über die Künstlersozialkasse (KSK) versichert. Der Anteil schwankt – unter Theaterschaffenden sind es nur 21 Prozent, im Bereich Literatur und bildende Kunst 63 Prozent.

    • Unter den ausschließlich selbstständigen Kulturschaffenden geben 22 Prozent der Befragten an, nicht über die KSK abgesichert zu sein. Entweder bewertet die KSK ihre Tätigkeit nicht als künstlerisch oder publizistisch, oder sie wird nicht als Haupttätigkeit gewertet.

    • Über ein Drittel der hybrid arbeitenden Kulturschaffenden sind über die KSK versichert – trotz abhängiger Beschäftigung als Arbeitnehmer*in. Das Einkommen aus ihrer künstlerischen Selbstständigkeit ist also größer als das aus ihrem (künstlerischen oder nicht-künstlerischen) Job als Arbeitnehmer*in.

     


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